Tote kehren nicht zurück. Der Mord an Dieter Manzke

Dieter Manzke
Dieter Manzke

Dieter Egon Wilfried Manzke
geb. 1.11.1939 in Damerow
gest. 9.8.2001 in Dahlewitz
Er verstarb durch Gewalteinwirkung:
in unserem Ort
ohne Hilfe, unbemerkt,
weil er anders lebte
und sein Dasein einige junge Menschen störte,
Täter, die aus unseren Gemeinden stammen.
mit Trauer und Zorn
Kerstin, Simone und Nicole Manzke
Tolerantes Mahlow und Freunde

Der Obdachlose Dieter Manzke (61 Jahre) wurde am 09.08.2001 in Dahlewitz erschlagen. Mit seinem Tod lässt sich eine traurige Chronik des Terrors gegenüber Obdachlosen fortschreiben. Als weitere Opfer der jüngeren Vergangenheit sind zu beklagen: Eckhard Rütz (47 Jahre) am 25.11.2000 in Greifswald, Norbert Plath (51 Jahre) am 27.7.2000 in Ahlbeck, Jürgen S. (52 Jahre) am 09.7.2000 in Wismar, Klaus Dieter Gereke am 24.6.2000 wiederum in Greifswald. Neben diesen Obdachlosen sind auch andere gesellschaftliche Minderheiten betroffen. So fiel beispielsweise jüngst ein 51-jähriger Sozialhilfeempfänger in Grimmen (Mecklenburg) einem Gewaltverbrechen zum Opfer.

Von 1989 bis 2000 wurden nach Informationen der Obdachlosenzeitung motz 107 wohnungslose Menschen von Tätern außerhalb der Wohnungslosenszene getötet. Ein Ende ist offensichtlich nicht abzusehen.

Laut motz werden die Gewalttaten seit Anfang der neunziger Jahre zunehmend von rechten Tätergruppen verübt – in Ostdeutschland wie auch in den alten Bundesländern. Seit 1998 sind es kaum noch Einzeltäter sondern zunehmend kleine Trupps von vier bis fünf Tätern. Dabei wird der rechtsextremistische Hintergrund von offiziellen Stellen meist in den Fällen geleugnet, in denen den Tätern keine entsprechende Organisationsstruktur nachgewiesen werden kann.

Dies ist auch die offizielle Sichtweise hinsichtlich der fünf geständigen Täter aus Dahlewitz, Mahlow und Blankenfelde im Alter von 17 bis 22 Jahren. In wieweit diese Sichtweise trägt, ist mehr als fraglich. So handelt es sich beispielsweise bei einem der Täter um den aus Mahlow stammenden Dirk B., einem Mitglied der rechten Mahlower Bahnhofszene. Doch ganz unabhängig von der Frage nach der Tätergesinnung: Wie »leichtfertig« jungen Männern aus unserer Region derartiges »passiert«, ist Grund genug, schockiert zu sein und Fragen nach einer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen.

Dahlewitz, Mahlow und Blankenfelde. Erst im Juni diesen Jahres waren diese drei Orte Zentrum einer Demonstration gegen Rassismus und für Menschlichkeit und Toleranz. Aus Anlass der Rückkehr des farbigen Bauarbeiters Noël Martin an den Ort, an dem er im November 1996 bei einem Anschlag fast ums Leben gekommen wäre, waren ca. 2.500 Bürger und Bürgerinnen in Solidarität mit dem seitdem Querschnittsgelähmten auf die Straße gegangen.

Den Geist und die Aufbruchstimmung dieser Tage scheinen zumindest die politisch Verantwortlichen der drei Gemeinden nicht mehr in sich zu tragen. Aus dem Anschlag auf Noël Martin und den damit einhergehenden Erfahrungen wurden offensichtlich keine bleibenden Erkenntnisse für einen angemessenen Umgang mit dem Tod Dieter Manzkes gewonnen. Statt der Bekundung von Abscheu und Ekel vor dieser Tat und eines eindeutigen Signals der Zurückweisung derartiger barbarischer Gewaltakte, ist offizielle Betroffenheit kaum zu vernehmen.

Trotz der zwischenzeitlichen Kontakte zwischen den drei Töchtern Manzkes und der Dahlewitzer Gemeindevertretung fühlen sich die Töchter weitgehend allein gelassen. So haben bspw. die Dahlewitzer Bürgermeister die Töchter tagelang hinsichtlich der Form und des Ortes des Begräbnisses im Ungewissen gelassen. Noch am Montag dieser Woche lautete beim Amt Rangsdorf entgegen den Wünschen der Töchter die offizielle Devise kostengünstige Beisetzung im entfernten Zossen. Mittlerweile scheint einer Beisetzung in Dahlewitz nichts mehr im Wege zu stehen. Davon wurden die Töchter Manzkes aber erst am Mittwoch, dem 5.9. durch den Dahlewitzer Bürgermeister Fritz Lenk informiert. Dessen Darstellung in der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 4. September, dass die Angehörigen bei der Bestattung keine Öffentlichkeit wünschen, wurde am folgenden Tag von den Töchtern dementiert. Diese können sich sehr wohl ein Begräbnis zusammen mit anteilnehmenden Mitbürgern vorstellen.

Die Zurückhaltung der politisch Verantwortlichen bezüglich einer öffentlich bekundeten Teilnahme am keineswegs nur privaten Unglück der Familie Manzke vergibt die Chance Öffentlichkeit gegenüber derartigen Taten zu mobilisieren. Eine angemessene Bestattung unter Teilnahme politisch Verantwortlicher aus den Gemeinden Dahlewitz, Mahlow und Blankenfelde würde einem obdachlosen und alkoholkranken Mitbürger nicht nur im Tod die Würde zurückgeben, die ihm die letzten Lebensjahre zunehmend verweigert wurde, sondern gleichzeitig deutlich machen, dass eine Ausgrenzung Obdachloser und anderer gesellschaftlicher Minderheiten nicht akzeptabel ist. Doch Dieter Manzke hatte offensichtlich doppelt Pech: Er war nur ein Obdachloser und …. Tote kehren nicht zurück.

Bei der Spendensammlung für das Begräbnis von Dieter Manzke sind bis zum 12.10.2001 3378,90 DM eingegangen. Wir bedanken uns bei allen SpenderInnen.

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